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Wir befinden uns auf dem „Ploštad Makedonija“, dem zentralen Platz der makedonischen Hauptstadt Skopje. Ordentlich gescheitelt sitzt der junge Mann auf seinem feurig aufsteigenden Pferd. Den rechten Arm reckt er mit einem spitzen Schwert siegesgewiss zum Himmel empor. Krieger und Pferd bilden eine kämpferische Einheit: Während sich das Ross nach Osten aufbäumt, ist der Blick seines Reiters entschlossen nach Süden gerichtet. Getragen werden beide von einem säulenartigen Unterbau, dessen Wandungen mit Reliefs und Heldenfiguren aus der mazedonischen Antike verziert sind.
Bei Nacht wird das kolossale, insgesamt 22 Meter hohe Ensemble in wechselnden Farben angeleuchtet und von Wasserfontänen umspielt. Bronzene Löwen mit aufgerissenen Mäulern und entblößten Zähnen bewachen grimmig sowohl die Statue als auch den Vorplatz und vollenden die dramatische Inszenierung im Las Vegas–Stil.
Das Monument steht im Zentrum des neu angelegten Platzes von Skopje, das sein Erscheinungsbild in den letzten Jahren gänzlich ummodelliert hat. Rund um den Platz hat man die Fassaden der vorhandenen Bauten mit neoklassizistischen Elementen versehen oder mit antiken Schnörkeln beklebt. Ein im gleichen Stil entworfener Triumphbogen wurde in eine eigentlich zu schmale Durchfahrt gezwängt. Auch auf der gegenüberliegenden Uferseite des Flusses wurden neoklassizistische Prachtbauten platziert, die nun hauptsächlich Ministerien, Museen und andere staatliche Institutionen beherbergen. Die enormen Baumaßnahmen sollen laut diversen Medienberichten statt der offiziellen 80 bis zu 500 Millionen Euro verschlungen haben. Sie sind Teil des Projektes „Skopje 2014“ – initiiert von der konservativen nationalen Partei VMRO-DPMNE – und umfassen inzwischen zwanzig historisierende Großbauten, darunter auch Kirchen und etwa vierzig überlebensgroße Skulpturen.
„Skopje 2014“ ist ein programmatisches Vorhaben, um den urbanen Raum der eigentlich multi-ethnischen und multi-konfessionellen Stadt kulturell zu vereinheitlichen. Nach dem Ende der osmanischen Besatzungszeit und dem Ausklang der Tito-Ära soll ein Leitbild geschaffen werden, das sich auf die mazedonische Antike zurückbesinnt. Das osmanische Erbe des Landes, aber auch die das Stadtbild Skopjes bislang prägende sozialistische Architektur werden dafür rigoros in den Hintergrund gedrängt. Diese im städtischen Baukörper verankerte Geschichtskonstruktion in der Manier einer Freilichttheaterinszenierung führt vor allem mit der muslimischen Bevölkerung zu Konflikten, deren Erbe konsequent ausgespart bleibt, obwohl Muslime derzeit rund ein Drittel der Gesamtbevölkerung Mazedoniens stellen.
Bezeichnenderweise steht „Macedonia“ im Italienischen für ein wohlschmeckendes Dessert aus marinierten frischen Früchten. Der Nachtisch gewinnt sein köstliches Aroma aus der Mischung einer Vielzahl von Obstsorten und holt auch optisch das Völkergemisch des Balkans auf einen Teller.
Der Statue offiziell den Namen der dargestellten historischen Figur zu geben, hat die mazedonische Regierung bislang vermieden, obwohl er eigentlich jedem bekannt ist: Es ist Alexander der Große, um dessen historisches Erbe sich Mazedonien und Griechenland fortwährend streiten.
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